„Das Wesen des Lebens“ ist das fulminante Romandebüt der finnischen Literaturwissenschaftlerin und Wissenschaftshistorikerin Iida Turpeinen. Das Buch wurde bzw. wird derzeit in knapp 30 Sprachen übersetzt. Seine außergewöhnliche Heldin ist die ausgestorbene „Stellersche Riesenseekuh“, deren massigem Skelett man bis heute in einigen Naturhistorischen Museen Europas begegnen kann, u.a. in Helsinki, wo es die Autorin zu ihrem Roman inspiriert hat. Ausgangspunkt des Textes ist die „Zweite Nordische Expedition“ von Vitus Bering, die in erster Linie der Suche nach einem nördlichen Seeweg vom Pazifik in den Atlantik gewidmet gewesen ist und während der Bering im Dezember 1741 auf der darauf nach ihm benannten Bering-Insel starb. Mitglied der vom russischen Zaren beauftragten Expedition … > Weiterlesen
Kategorie: Aktuelle Buchempfehlungen
Der mehrfach preisgekrönte englische Naturschriftsteller Adam Nicolson – in Deutschland vor allem bekannt durch sein großartiges Buch Der Ruf des Seevogels, das an dieser Stelle bereits ausführlich besprochen worden ist – outet sich in seinem neuen Buch als Inselbesitzer. Drei unbewohnte Inseln der Äußeren Hebriden, die als Weide für Schafe dienen, hat er von seinem Vater zum 21. Geburtstag geschenkt bekommen und seitdem bei regelmäßigen Besuchen erkundet, beobachtet und ihre Tierpopulationen beschrieben. In seinem neuen Buch Seeraum. Ein schottisches Inselleben nähert sich Nicolson den Shiant Islands in immer neuen Anläufen – einmal spürend mit poetischem Einfühlungsvermögen, dann in Begleitung von Geologen und Archäologen, die ihn über Inselgäste in Zeiten … > Weiterlesen
Die in der Reihe Die andere Bibliothek neu aufgelegten Bornholmer Novellen von Martin Andersen Nexö erschienen 1901. Der 1869 in einem der ärmsten Viertel Kopenhagens zur Welt gekommene Dichter hatte seine Kindheit und Jugend in Nexö auf der Insel Bornholm verbracht, dort den Beruf eines Schusters erlernt und die unter den Inselbewohnern kursierenden Geschichten neugierig aufgesogen. Mit dem Fokus auf das einfache Volk und seine oft tragikomisch wirkenden Helden knüpft er an Vorbilder des literarischen Realismus in anderen europäischen Ländern, aber auch an seinen Landsmann Johannes Jensen an, der 1898 den ersten Band seiner Himmerlandgeschichten publiziert hat und später den Literaturnobelpreis erhielt.
Das Leben auf der dänischen Insel am Ende … > Weiterlesen
Ninon, eine vormalige Concierge aus Paris, hat sich dafür entschieden, ihren Ruhestand in einem Schiffscontainer zu verbringen, wo ihr von einem obskuren Spekulanten namens LeRoy gegen Verzicht auf ihre knappe Rente Aufenthalt und Verköstigung zugesichert sind. Die französische Autorin Magali Desclozeaux nimmt diesen Plot als Ausgangspunkt für einen außergewöhnlichen Briefroman, der neben dem Schicksal der wackeren Concierge auch dasjenige des globalen Neoliberalismus und seiner unmenschlichen Auswüchse mit viel Humor aufs Korn nimmt. Die Probleme und mit diesen die Romanhandlung beginnen, als die Heldin vom Dasein im Frachtcontainer genug hat und den obskuren Dienstleister zu kontaktieren sucht, dem sie sich mit dem Leibrentenvertrag leichtfertig ausgeliefert hat – vergeblich. Als sie im … > Weiterlesen
Jón Kalman Stefánsson ist Freunden isländischer Literatur durch seine Romane Etwas von der Größe des Universums, Astas Geschichte und Dein Fortsein ist Finsternis bekannt. Unterdessen gilt der vormalige Maurer, Arbeiter in der Fischindustrie und Polizist als einer der Anwärter auf den Literaturnobelpreis. Mit seinem neuen, deutlich autobiographischen Roman Mein Gelbes U-Boot nimmt er auf den Beatles-Song Yellow Submarine Bezug und zaubert daraus eine Parabel auf Leben und Vergänglichkeit sowie Literatur und Phantasie hervor (was der Buchumschlag der deutschen Ausgabe recht witzig mit der Abbildung eines gelben Trabants reflektiert). Was im Lied der Beatles der alte U-Boot-Fahrer ist in Stefánssons Roman der greise Paul McCartney, den der Ich-Erzähler, ein „isländischer Schriftsteller“ … > Weiterlesen
Die französische Schriftstellerin Véronique Ovaldé hat mit Wütendes Mädchen auf einer Steinbank einen sprachlich und stilistisch beeindruckenden und nicht weniger spannenden Roman vorgelegt, der in einer Grauzone zwischen Familiengeschichte, Psychothriller und Kriminalroman changiert. Auf einer Insel vor der Küste Siziliens wachsen vier Schwestern miteinander auf, bis es zu einer mysteriösen Tragödie kommt. Das mit sechs Jahren jüngste der Mädchen verschwindet spurlos, nachdem es seine Schwester Aida erpresst hat, es mit zur Karnevalsfeier zu nehmen. Aida, die ohne Wissen der Eltern auf die Feier gegangen war, wird die Schuld am mysteriösen Verschwinden der Schwester gegeben und sie muss diese in ihrem weiteren Leben tragen. Als sie fünfzehn Jahre später anlässlich der … > Weiterlesen
Der kubanische Schriftsteller Leonardo Padura hat seinem Publikum einen neuen Fall des schon aus früheren Romanen bekannten Ermittlers Mario Conde beschert und dazu erklärt, dieser sei mehr Krimi als all seine früheren Bücher. Der gut gewählte Titel Anständige Leute – im Original: Personas decentes – deutet mit einem ironischen Augenzwinkern den Rahmen an, um den sich die Handlung dreht: nämlich moralisch zweifelhafte Aktivitäten in Vergangenheit und Gegenwart, bei denen die kriminelle Energie von Einzelnen mit systemischen Verwerfungen in der Gesellschaft Hand in Hand geht. Wieder einmal kann sich der zum Schriftsteller und Intellektuellen mutierte Ex-Polizist Mario Conde dem Appell an seinen berühmten Spürsinn und dem Ruf seiner früheren Kollegen nicht … > Weiterlesen
Birk Meinhardt, 1959 in Ost-Berlin geboren, begann seine berufliche Laufbahn als Sportredakteur, erhielt als Reporter der Süddeutschen Zeitung zweimal den Egon-Erwin-Kisch-Preis und ist seit 2012 als freiberuflicher Schriftsteller tätig. Mit seinem 2020 erschienenen autobiographischen Bestseller Wie ich meine Zeitung verlor hat er eine Innenansicht der Entwicklungen im deutschen Journalismus aus ostdeutscher Perspektive vorgelegt und eine Feuilletondebatte zum Thema entfacht. Inselfreunden ist er zudem durch sein im mare-Verlag erschienenes Reisebuch Mein Bornholm bekannt geworden.
Mit seinem neuen Roman Abkehr. Ein Hafttagebuch hat Birk Meinhardt nun sowohl einen fesselnden Roman wie eine tiefsinnige Reflexion über gesellschaftliche Entwicklungen und Fehlentwicklungen seit der „friedlichen Revolution“ von 1989 und der deutschen Wiedervereinigung vorgelegt. Die … > Weiterlesen
1959 nahm der französische Schriftsteller Jean-Pierre Abraham eine Stelle als Leuchtturmwärter auf der kleinen Felseninsel Ar-men vor der bretonischen Küste an. Das Tagebuch seines dreijährigen Aufenthalts auf dem Leuchtturm im Atlantik, der den Eingang der Passage der Île de Sein markiert, machte ihn bei seinem Erscheinen in Frankreich 1967 schlagartig berühmt. 57 Jahre nach der Publikation in Frankreich hat nun der österreichische Verlag Jung und Jung für eine deutsche Übersetzung dieses Juwels der maritimen Literatur gesorgt.
In den Aufzeichnungen Abrahams wird bei aller skizzenhaften Knappheit der Sprache – bzw. gerade deswegen – die existenzielle Herausforderung eines kargen Daseins inmitten tosender Wellen deutlich und reißt den Leser mit. Im Spannungsfeld von … > Weiterlesen
Die französische Anthropologin Nastassja Martin wurde dem interessierten deutschen Publikum bereits mit ihren von einer Bärenattacke angeregten Reflexionen bekannt, die im Verlag Matthes & Seitz Berlin unter dem Titel An das Wilde glauben erschienen sind. Jetzt liefert ihr mitreißender Bericht Im Osten der Träume den ganzen Hintergrund ihrer Feldforschungen auf Kamtschatka nach, die einer nach dem Ende der Sowjetunion zum archaischen Wildbeuterdasein zurückgekehrten Gruppe aus dem indigenen Volk der Even gewidmet sind. Unter sowjetischen Verhältnissen waren die vormaligen Rentierhirten gezwungen gewesen, sich in Dörfern anzusiedeln und in die dortigen Kolchosen bzw. Sowchosen zu integrieren. Die letzten aktiven Schamanen der Gruppe verstarben in den 1970er Jahren. Die Rückkehr zum Naturdasein vollzieht … > Weiterlesen