Der 1962 erschienene Debütroman der italienischen Autorin Dacia Maraini spielt im Sommer 1943 und landete in Italien einen Überraschungserfolg. Nicht zuletzt machte er die Schriftstellerin zu einer Symbolfigur der italienischen Frauenbewegung. Nun liegt der Roman in einer Neuübersetzung von Ingrid Ickler aus dem in Wien und Bozen ansässigen Folio Verlag vor. Erzählt wird darin die Geschichte eines jungen Mädchens, das ganz andere Sorgen hat als den gleichzeitigen Zweiten Weltkrieg und die mithilfe der Nazis reinstallierte Macht Mussolinis in der sogenannten Republik von Salò im Norden Italiens. Der im deutschen nicht wiederzugebende italienische Originaltitel „La Vacanza“ spielt mit dem Gleichklang der Begriffe für „Urlaub“ und „Leere“ und stellt bereits jenes Spannungsfeld … > Weiterlesen
Kategorie: Klassiker in Neuausgaben
1959 nahm der französische Schriftsteller Jean-Pierre Abraham eine Stelle als Leuchtturmwärter auf der kleinen Felseninsel Ar-men vor der bretonischen Küste an. Das Tagebuch seines dreijährigen Aufenthalts auf dem Leuchtturm im Atlantik, der den Eingang der Passage der Île de Sein markiert, machte ihn bei seinem Erscheinen in Frankreich 1967 schlagartig berühmt. 57 Jahre nach der Publikation in Frankreich hat nun der österreichische Verlag Jung und Jung für eine deutsche Übersetzung dieses Juwels der maritimen Literatur gesorgt.
In den Aufzeichnungen Abrahams wird bei aller skizzenhaften Knappheit der Sprache – bzw. gerade deswegen – die existenzielle Herausforderung eines kargen Daseins inmitten tosender Wellen deutlich und reißt den Leser mit. Im Spannungsfeld von … > Weiterlesen
Franz Fühmann gehört zu jener Generation von Autoren, die die Widersprüche der gesellschaftlichen Entwicklung der DDR nicht nur in ihren Werken, sondern auch in ihrer persönlichen Biografie ausgetragen haben. Aus Anlass seines 40. Todestages hat der Rostocker Hinstorff Verlag jetzt sein 1961 erschienenes Buch Kabelkran und Blauer Peter neu aufgelegt, das als Paradebeispiel für eine literarische Auseinandersetzung mit dem sogenannten „Bitterfelder Weg“ steht. Fühmann folgte damit (ähnlich wie Brigitte Reimann und andere Autoren) der auf der Bitterfelder Konferenz zur Kulturpolitik formulierten Aufforderung an die Intellektuellen, die Kluft zum einfachen Volk zu überwinden und sich dem Alltag der Arbeiter und Bauern zuzuwenden. Er entschied sich für einen Schreibaufenthalt in den Werften … > Weiterlesen
In der Gnade
Joy Williams, Jahrgang 1944, ist eine Autorin, die die jüngere US-amerikanische Literatur maßgeblich geprägt und zahlreiche jüngere Autoren beeinflusst hat. Gut fünfzig Jahre nach seinem Erscheinen in den USA liegt nun ihr flüssig geschriebener, gleichwohl sprachlich eigenwilliger und expressiver Debütroman von 1973 bei dtv in einer deutschen Übersetzung vor. Heldin des Buches ist eine junge Frau, Halbwaise, Tochter eines Predigers und schwanger, wobei mehrere Männer als Väter in Frage kommen. Schauplatz ein Ort im amerikanischen Süden, wo die Heldin mit ihrem Freund in einem Wohnwagen am Waldrand lebt – ein aus Welt und Wohlstand gefallenes Paar, das den Tieren des Waldes näher als der menschlichen Gesellschaft steht und jenseits des … > Weiterlesen
Nicholas Blake ist ein Pseudonym des aus Irland stammenden Autors Cecil Day-Lewis (1904–1972), der unter seinem eigentlichen Namen mehrere Gedichtbände und sozialkritische Texte verfasst hat und 1968 zum Hofdichter der britischen Queen ernannt worden ist. Seinen ökonomischen Unterhalt sicherte er sich zunächst als Lehrer, seit den 1940er Jahren dann vor allem durch das Schreiben von Kriminalromanen, die er unter dem Pseudonym Nicholas Blake veröffentlichte. Held seiner Kriminalgeschichten ist ein exzentrischer Privatdetektiv namens Nigel Strangeways, der auch literarisch bewandert ist und in seiner Verwandtschaft einen hohen Beamten des Scotland Yard hat.
Der 1959 erschienene, jetzt im Klett-Cotta Verlag aufgelegte Roman Mord auf der Kreuzfahrt beginnt damit, dass Strangeways eine Ablenkung für … > Weiterlesen
Absturz
Der umtriebige Guggolz Verlag hat sich mal wieder um die Neuentdeckung eines literarischen Klassikers aus Skandinavien verdient gemacht. Der Debütroman des dänischen Autors Tom Kristensen, der nunmehr in einer gut lesbaren Neuübersetzung von Ulrich Sonnenberg unter dem Titel Absturz verfügbar ist, entstand in den 1920er Jahren und erschien 1930 – wie man weiß, eine Epoche, in der Mammutromane von an die tausend Seiten hoch im Kurs standen. Und in der Tat verdient es Kristensens Buch, im Kontext anderer großer Romane jener Tage wie Döblins Berlin-Alexanderplatz, Joyce‘ Ulysses oder Musils Mann ohne Eigenschaften genannt und betrachtet zu werden. Wie bei diesen Zeitgenossen ist auch Kristensens Schreibstil durch eine ausgesprochen autobiographische … > Weiterlesen
Die Insel des Dr. Moreau von H. G. Wells ist einer der unbestrittenen Klassiker der modernen Inselliteratur, Margaret Atwood hat ihn zurecht „ein Werk, dass man nie wieder vergisst“ genannt. Folglich vergeht kaum ein Jahr, in dem nicht irgendeine Neuerscheinung dieser radikalen Horrorgeschichte auf den Markt kommt, und man könnte meinen, dass auch die neueste aus der Verlagsbuchhandlung Liebeskind eigentlich nicht ausdrücklich empfohlen werden muss. Aus zwei Gründen tun wir es aber dennoch: Zum einen, weil der Verlag mit dem amerikanischen Comic-Zeichner Bill Sienkiewicz einen Künstler von Weltrang als Illustrator gewinnen konnte. Und zudem, weil Wells 1896 publizierte Geschichte um den abgründigen Dr. Moreau, der auf einer abgeschiedenen Insel Operationen … > Weiterlesen
Wirres Haar. 399 Tanka
Es geschieht nicht selten, dass literarische Werke einige Jahrzehnte brauchen, um über ihren eigenen Sprachraum hinaus Wahrnehmung zu erfahren. Dass es deutlich mehr als ein Jahrhundert dafür braucht, ist jedoch überraschend und womöglich ein Zeichen dafür, dass es noch einige von der viel beschworenen Globalisierung unberührte Inseln kultureller Überlieferung gibt. Im Fall von Yosano Akiko (1878–1942), deren literarisches Debüt aus dem Jahr 1901 nun erstmals in deutscher Übersetzung vorliegt, ist die Verspätung umso verblüffender, als es sich nicht nur um eine Meisterin der lyrischen Form Tanka handelt, sondern sie überdies als Revolutionärin und erste moderne Stimme der japanischen Dichtkunst gilt. Midaregami, so der Titel ihres im damaligen Japan Aufsehen … > Weiterlesen
Der Aufbau-Verlag mit seinem Imprint Blumenbar hat seit kurzem den japanischen Krimiautor Seishi Yokomizo (1902–1981) entdeckt, und inzwischen liegt unter dem Titel Mord auf der Insel Gokumon der zweite Fall für den von ihm erdachten Privatdetektiv Kosuke Kindaichi auf deutsch vor. Die Übersetzung besorgte die durch Romane von Haruki Murakami und anderen Großmeistern der japanischen Literatur bekannte Ursula Gräfe, die selbst über Yokomizos Romane sagt: „Im Grunde beleuchtet Yokomizo in seinen Geschichten universelle Fragen – was können nationale Arroganz, ein erbarmungsloser Ehrbegriff und bedingungsloser Gehorsam anrichten? –, die uns ja wirklich nicht fremd sind.“ Es ist jedoch nicht nur diese untergründige und universelle Fragestellung, die Yokomizos Krimis zu einer unbedingt … > Weiterlesen
Edgar Allan Poes Klassiker Arthur Gordon Pyms Abenteuer hat in den fast 200 Jahren seit seinem Erscheinen Literaturgeschichte geschrieben. Jetzt liegt er abermals in neuer Übersetzung von Andreas Nohl vor, der in den letzten Jahren bereits eine ganze Reihe englischsprachiger Klassiker des 19. Jahrhunderts für zeitgenössische deutsche Leser erschlossen hat, darunter Stevensons „Schatzinsel“, Kiplings „Dschungelbuch“ und Stokers „Dracula“. Getrieben von seiner Abenteuerlust, wenngleich unter düsteren Vorahnungen begibt sich der Held Arthur Gordon Pym als blinder Passagier an Bord eines Walfängers. Was er dort erlebt und in seinen Aufzeichnungen berichtet, ist gleichsam ein Panoptikum all dessen, was an Ängsten, Horror und Grauen im Unbewussten des modernen Menschen spukt: blutige Gewalttätigkeiten, Meuterei, … > Weiterlesen