Der 1962 erschienene Debütroman der italienischen Autorin Dacia Maraini spielt im Sommer 1943 und landete in Italien einen Überraschungserfolg. Nicht zuletzt machte er die Schriftstellerin zu einer Symbolfigur der italienischen Frauenbewegung. Nun liegt der Roman in einer Neuübersetzung von Ingrid Ickler aus dem in Wien und Bozen ansässigen Folio Verlag vor. Erzählt wird darin die Geschichte eines jungen Mädchens, das ganz andere Sorgen hat als den gleichzeitigen Zweiten Weltkrieg und die mithilfe der Nazis reinstallierte Macht Mussolinis in der sogenannten Republik von Salò im Norden Italiens. Der im deutschen nicht wiederzugebende italienische Originaltitel „La Vacanza“ spielt mit dem Gleichklang der Begriffe für „Urlaub“ und „Leere“ und stellt bereits jenes Spannungsfeld … > Weiterlesen
Kategorie: Bücher
Der österreichische Autor Michael Köhlmeier, geboren 1949, wurde dem literarischen Publikum vor allem durch seine mitreißenden Nacherzählungen antiker und mittelalterlicher Sagen und Mythen bekannt. Darüber hinaus kann er auf ein immenses literarisches Werk verweisen, das Romane, Hörspiele und essayistische Beiträge umfasst. Wie so oft in seinem Werk spielt er auch in seinem neuesten Roman mit den Grauzonen zwischen Fiktion und Wirklichkeit sowie Autorschaft und Heldenrolle. Der Ich-Erzähler ist ein unverkennbares Double des Autors selbst, der durch die Begegnung mit einer in Russland geborenen, im Alter von 14-Jahren mit ihrer Familie deportierten, inzwischen 100-jährigen Wiener Architektin zum Chronisten eines unglaublichen Ereignisses aus dem Jahr 1922 wird.
Die Geschichte, die die ehrwürdige … > Weiterlesen
Der aus Sri Lanka gebürtige Schriftsteller Shehan Karunatilaka, der für seinen zweiten Roman Die sieben Monde des Maali Almeida 2022 den renommierten Booker Prize erhielt, wurde 1975 in Colombo geboren und lebte seitdem in Neuseeland, England, Holland und Singapur. Neben seinen Romanen trat er mit Drehbüchern, Rocksongs und Zeitungsbeiträgen hervor. Thema seines erwähnten, international gefeierten Romans ist der blutige Bürgerkrieg in Sri Lanka während der 1980er bis 2000er Jahre, den der Autor aus einer surreal-fantastischen Perspektive in Blick nimmt, die Erinnerungen an Romane des „magischen Realismus“ oder von Salman Rushdie weckt.
Seit Ende 2023 liegt dieses Buch nun in der Übersetzung von Hannes Meyer in einer deutschsprachigen Ausgabe aus dem … > Weiterlesen
1959 nahm der französische Schriftsteller Jean-Pierre Abraham eine Stelle als Leuchtturmwärter auf der kleinen Felseninsel Ar-men vor der bretonischen Küste an. Das Tagebuch seines dreijährigen Aufenthalts auf dem Leuchtturm im Atlantik, der den Eingang der Passage der Île de Sein markiert, machte ihn bei seinem Erscheinen in Frankreich 1967 schlagartig berühmt. 57 Jahre nach der Publikation in Frankreich hat nun der österreichische Verlag Jung und Jung für eine deutsche Übersetzung dieses Juwels der maritimen Literatur gesorgt.
In den Aufzeichnungen Abrahams wird bei aller skizzenhaften Knappheit der Sprache – bzw. gerade deswegen – die existenzielle Herausforderung eines kargen Daseins inmitten tosender Wellen deutlich und reißt den Leser mit. Im Spannungsfeld von … > Weiterlesen
Der Retter
Der dritte Fall für Liewe Cupido alias den „Holländer“: Nachdem an der Küste Englands das Skelett eines seit 21 Jahren vermissten Kapitäns gefunden wurde, ermittelt der vom holländischen Autor Matthijs Deen kreierte friesische Kommissar diesmal unter deutschen und holländischen Seenotrettern. Wie so oft eher notgedrungen, denn wieder mal ist Deens „Kommissar mit menschlichem Antlitz“ mit Problemen aus der eigenen Vergangenheit, konkret dem Verschwinden seines eigenen Vaters auf See, beschäftigt. Doch sein Kollege Xander Rimbach wird auf Norderney vergiftet, und immerhin scheint es merkwürdig, dass bei dem damaligen Schiffsunglück sowohl deutsche als auch holländische Seenotretter zu Hilfe kamen, aber niemand nach dem verschwundenen Kapitän fragte. Angeblich gingen beide Seiten davon aus, … > Weiterlesen
Franz Fühmann gehört zu jener Generation von Autoren, die die Widersprüche der gesellschaftlichen Entwicklung der DDR nicht nur in ihren Werken, sondern auch in ihrer persönlichen Biografie ausgetragen haben. Aus Anlass seines 40. Todestages hat der Rostocker Hinstorff Verlag jetzt sein 1961 erschienenes Buch Kabelkran und Blauer Peter neu aufgelegt, das als Paradebeispiel für eine literarische Auseinandersetzung mit dem sogenannten „Bitterfelder Weg“ steht. Fühmann folgte damit (ähnlich wie Brigitte Reimann und andere Autoren) der auf der Bitterfelder Konferenz zur Kulturpolitik formulierten Aufforderung an die Intellektuellen, die Kluft zum einfachen Volk zu überwinden und sich dem Alltag der Arbeiter und Bauern zuzuwenden. Er entschied sich für einen Schreibaufenthalt in den Werften … > Weiterlesen
In der Gnade
Joy Williams, Jahrgang 1944, ist eine Autorin, die die jüngere US-amerikanische Literatur maßgeblich geprägt und zahlreiche jüngere Autoren beeinflusst hat. Gut fünfzig Jahre nach seinem Erscheinen in den USA liegt nun ihr flüssig geschriebener, gleichwohl sprachlich eigenwilliger und expressiver Debütroman von 1973 bei dtv in einer deutschen Übersetzung vor. Heldin des Buches ist eine junge Frau, Halbwaise, Tochter eines Predigers und schwanger, wobei mehrere Männer als Väter in Frage kommen. Schauplatz ein Ort im amerikanischen Süden, wo die Heldin mit ihrem Freund in einem Wohnwagen am Waldrand lebt – ein aus Welt und Wohlstand gefallenes Paar, das den Tieren des Waldes näher als der menschlichen Gesellschaft steht und jenseits des … > Weiterlesen
Zwei Jahre nach seinem Bestseller Februar 33. Der Winter der Literatur hat der Journalist Uwe Wittstock – vormaliger Literatur- bzw. Feuilletonchef von FAZ, Welt und Focus – ein weiteres erfolgsträchtiges Buch zum Schicksal deutscher Literaten während der Zeit des Nationalsozialismus vorgelegt. Marseille 1940. Die große Flucht der Literatur ist Anfang des Jahres im Verlag C.H. Beck erschienen und entwirft ein ähnlich breitgefächertes Panorama wie das Vorgängerbuch. Trotz allem Vorwissen über die Umstände der Emigration deutscher Schriftsteller zur Zeit des Dritten Reiches überrascht dennoch die Dimension des Geschehens und die Fülle der in Marseille wie in einem Nadelöhr zusammenlaufenden Geschichten. Von Hannah Arendt über Walter Benjamin, Lion Feuchtwanger, Heinrich Mann bis … > Weiterlesen
An der See
Der 1942 in Etterbeek bei Brüssel geborene Sprachwissenschaftler, Filmemacher, Übersetzer und Schriftsteller Eric de Kuyper erlebte in der unmittelbaren Nachkriegszeit, was es bedeutet, die sommerlichen Ferien am Meer zu verbringen. Seine überaus atmosphärische Beschreibung der familiären Strandurlaube im Ostende der späten 1940er Jahre erschien im Original bereits 1988 und liegt jetzt in der bei Wagenbach erscheinenden Reihe Salto erstmals in deutscher Übersetzung vor. Man könnte das Buch eine Hymne an den klassischen Strandurlaub und die „großen Ferien“ mit allen dazugehörigen Sinneseindrücken, Glücksgefühlen, Träumen und Illusionen (sowie der mitlaufenden Angst vor dem Ende) nennen oder die poetische Beschwörung eines soziologischen Phänomens, das in dieser Form bereits der Vergangenheit angehört und gleichwohl … > Weiterlesen
Der Zoologe Heinz-Dieter Franke, langjähriger Mitarbeiter der auf der Insel Helgoland angesiedelten „Biologischen Anstalt“ des Alfred-Wegener-Institut hat mit seiner jüngsten Veröffentlichung im mare Verlag eine Lücke innerhalb der reichhaltigen meeresbiologisch-populärwissenschaftlichen Literatur der letzten Jahre geschlossen: Sein Fachgebiet sind Krebse. Der merkwürdig anmutende Titel nimmt dabei einen wesentlichen Aspekt der Thematik vorweg: die Fülle der Irrtümer und andauernden Schwierigkeiten bei der zoologischen Einordnung: Handelt es sich bei den Krebstieren um „gehende Fische“, „Muscheln mit Füßen“ oder „Insekten ohne Flügel“? Und wussten Sie, dass auch die Kellerassel zu den Krebstieren zu zählen ist? Neben zoologischer Aufklärung liefert der Autor seinen Lesern eine Fülle von skurrilen und wundersamen Erscheinungen aus der Welt der … > Weiterlesen