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Belletristik

Pflaumenregen

Stephan Thome

Der Autor Stephan Thome, geborener Hesse, lebt nach Stationen in mehreren Ländern Ostasiens seit mehr als einem Jahrzehnt auf Taiwan. Eben dort spielt auch sein neuer, bei Suhrkamp erschienener Roman Pflaumenregen. Die darin erzählte facettenreiche Familiengeschichte lässt die außergewöhnliche Geschichte der Insel Taiwan von der japanischen Kolonialzeit über die nach dem Zweiten Weltkrieg einsetzende Sinisierung bis in die Gegenwart auch für uneingeweihte Leser überaus lebendig werden. Sie lässt sich zugleich als Liebeserklärung des Autors an seine „zweite Heimat“ lesen – parallel zu dem Roman ist bei Piper im Übrigen eine ebenfalls von Thome verfasste „Gebrauchsanweisung für Taiwan“ erschienen.

Die Handlung des Romans entzündet sich an Ereignissen, die im Zusammenhang … > Weiterlesen

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Belletristik

Winkel der Welt

Matthias Senkel

Matthias Senkel, 1977 in Greiz geboren und heute in Leipzig lebend, haben es die vom gewöhnlichen Festland abgeschotteten und eben dadurch zu allerlei Seltsamkeiten neigenden Inseln ganz offenkundig angetan. Wer hinter seinem neuen Erzählband Winkel der Welt indes ein weiteres Supplement der in den letzten Jahren leidlich abgegrasten „abgelegenen“, „unerforschten“ und wie auch immer „sagenhaften“ Inseln vermutet, liegt definitiv falsch. Richtiger wäre zu sagen, dass der Autor die zuletzt überbordenden Nachrichten über solch entlegene Orte auf literarischem Weg überbietet – indem er noch ganz andere Landschaften, Historien und ganze Sprachen wie etwa das „Waka-Jawakanische“ ersinnt und derart vorführt, dass es vor allem ein schöpferischer, fabulierender Geist ist, dem wir diese … > Weiterlesen

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Belletristik

Das Dämmern der Welt

Werner Herzog

Dem im Hanser Verlag erschienenen Buch des bekannten Filmemachers Werner Herzog liegt der reale Fall des japanischen Leutnants Hiroo Onoda zugrunde, der am Ende des Zweiten Weltkrieges mit wenigen weiteren Soldaten auf der zu den Philippinen gehörigen Insel Lubang zurückgeblieben war, sich im dortigen Dschungel verschanzte und – weitgehend abgeschnitten von Informationen über den Verlauf der Weltgeschichte – noch bis 1974 im Kampf gegen die vermeintlichen Kriegsgegner verblieb. Erst als sein ehemaliger Vorgesetzter ihn 30 Jahre nach Kriegsende aufsuchte und offiziell von seinem Dienst entband, war Onoda bereit, „die Waffen niederzulegen“ und kehrte nach Japan zurück. Die Kombination zweier an sich schon unglaublicher Vorgänge – des jahrzehntelangen einsamen Überlebens im … > Weiterlesen

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Belletristik

Kurz vor dem Vergessen

Alice Zeniter

Der Roman Kurz vor dem Vergessen der jungen französischen Schriftstellerin Alice Zeniter erschien in Frankreich bereits 2015 und liegt jetzt in deutscher Übersetzung vor. Zeniter wurde dem deutschsprachigen Publikum vor zwei Jahren durch ihren autobiographisch inspirierten, die Geschichte einer algerisch-stämmigen französischen Familie aufgreifenden Roman Die Kunst zu verlieren bekannt. Nun hat der Berlin-Verlag auch ihren in Frankreich bereits zuvor erschienenen Roman herausgebracht – in chronologischer Zählung der vierte der bei Erscheinen noch nicht einmal dreißigjährigen Autorin, die ihr erstes publiziertes Buch noch als Schülerin verfasst hat.

Die sublime Mischung von sprachlicher Gewandtheit und formaler Experimentierfreude mit existenziellen Themen und ausgesprochenem Lesevergnügen weisen Zeniter als begnadete Erzählerin aus, der komplexe … > Weiterlesen

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Das Romanverbot ist nur zu begrüßen

Seiko Ito

Der japanische Musiker, Schauspieler und Schriftsteller Seiko Ito ist Jahrgang 1961, in dem auf japanische Literatur spezialisierten Cass-Verlag liegt nun erstmals ein Buch von ihm auf Deutsch vor. Dessen Ich-Erzähler sitzt im Jahr 2036 nach offenbar erheblichen politischen Veränderungen als isolierter Häftling Nr. 86 im Gefängnis auf einer Insel der „Asiatischen Union“. Dort verfasst der einstmals gefeierte Autor Beiträge für die Gefängniszeitschrift, in denen er mit ausgiebigen literaturhistorischen Exkursen erklärt, warum er das von der Regierung kürzlich erlassene „Romanverbot“ unbedingt gutheißt. Die gleichnishafte Anspielung auf die maoistischen Umerziehungsprogramme und eine diese womöglich noch in den Schatten stellende Kulturrevolution in naher Zukunft ist von der ersten Zeile handgreiflich. Auch den … > Weiterlesen

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Heute beißen die Fische nicht

Ina Westman

Ina Westman ist eine Schriftstellerin, Bloggerin und Kommunikationsmanagerin aus Helsinki, die zudem ein Sommerhaus auf einer Insel im finnischen Schärengarten besitzt. Eine eben dort gelegene Insel bildet auch die Kulisse ihres zweiten Romans Heute beißen die Fische nicht, indem es um die Lebenswelt einer finnischen Kleinfamilie – Vater, Mutter, Kind, Großvater – und um die großen Fragen des Menschsseins – Leben und Tod, Normal- und Verrücktsein – geht. Die Protagonisten kommen einander abwechselnd als Ich-Erzähler des sommerlichen Inseldaseins zu Wort. Wobei die durch eine reißverschlussartige Narbe am Kopf gezeichnete Mutter im eigentlichen Brennpunkt des Geschehens steht und bei allen Beteiligten für die meiste Aufregung sorgt: indem sie Dinge denkt … > Weiterlesen

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Die Himmelskugel

Olli Jalonen

Der preisgekrönte Roman Die Himmelskugel des finnischen Autors Olli Jalonen, der im mare-Verlag neu erschienen ist, spielt ausgangs des 17. Jahrhundert auf zwei zum britischen Empire gehörigen, gleichwohl grundverschiedenen Inseln: St. Helena und Großbritannien. Man könnte ihn vielleicht einen „Abenteuerroman der Aufklärung“ nennen. Seine drei Helden sind der Astronom und Gelehrte Edmond Halley, der dem vermutlich berühmtesten aller Kometen seinen Namen geliehen hat, ein auf St. Helena wirkender Pastor und Inselchronist sowie schließlich ein begabter achtjähriger Junge, der in Halleys Fußstapfen treten will. Angelpunkt der Geschichte ist der historisch verbürgte Aufenthalt Halleys auf St. Helena 1677, wo der Gelehrte nach dem Willen des Autors die Bekanntschaft des aufgeweckten Jungen … > Weiterlesen

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Mister Potter

Jamaica Kincaid

Im Züricher Kampa Verlag, der sich regelmäßig mit Neuauflagen prägender Autoren der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts hervortut, sind in diesem Frühjahr zwei Bände der karibisch-amerikanischen Autorin Jamaica Kincaid erschienen, die auf der schon von Kolumbus besuchten Karibikinsel Antigua geboren und aufgewachsen ist. Die 1949 geborene, in ärmlichen Verhältnissen in der damals noch britischen Kolonie aufgewachsene Kincaid gehörte in den 1970er Jahren zu den schillernden Figuren der New Yorker Künstlerszene und ist heute Harvard-Professorin für African and African American Studies. Ihre literarischen Werke sind über weite Strecken in ihrer karibischen Heimat angesiedelt und lesen sich wie Beschwörungen der Natur, der menschlichen Bewohner und der Geister der Inseln. So auch die … > Weiterlesen

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Eroberung

Laurent Binet

Der für subtile Balanceakte zwischen spannender Erzählung und intellektuellem Diskurs bekannte französische Autor Laurent Binet betätigt sich mit seinem neuen Roman Eroberung als Trendsetter einer Art „postfaktischer Weltfiktion“. In mitreißenden historischen Bögen schreibt er die großen Entdeckungen und die daran anschließende Konquista um und spielt eine Version der Weltgeschichte durch, in deren Verlauf Europa seinerseits von indianischen Seefahrern kolonialisiert wird. Als vorentscheidend für diese Wendung der Geschichte erweist sich, dass eine entschlossene Wikingerin mit ihrer männlichen Crew bereits bis nach Südamerika vorgestoßen ist und derart die amerikanischen Ureinwohner mit Antikörpern gegen die von den europäischen Seefahrern eingeschleppten Seuchen aufgerüstet hat. Alles Weitere bis zur Versklavung von Miguel de Cervantes und … > Weiterlesen

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Tahiti Utopia

Michal Hvorecky

Nachdem die Faktizität sich in den letzten Jahren mehr und mehr aus dem politischen Diskurs verflüchtigt hat und dieser sich selbst zu guten Stücken in eine Untergattung der phantastischen Literatur verwandelt hat, ist es offenbar Zeit für eine Romanliteratur geworden, die umgekehrt verfährt und denkbare andere regionale bzw. globale Geschichten generiert. Man könnte vielleicht probeweise von „postfaktischen Weltfiktionen“ sprechen. Neben dem Franzosen Laurent Binet, dessen Roman Eroberung die Kolonialisierung Amerikas ins Gegenteil verkehrt, hat sich auch der slowakische Autor Michal Hvorecky mit seinem neuen Roman Tahiti Utopia einer solchen Fiktion verschrieben. Darin imaginiert er einen Verlauf der Versailler Verhandlungen nach dem 1. Weltkrieg, in dessen Folge die heutige Slowakei dem … > Weiterlesen