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Belletristik

Das Romanverbot ist nur zu begrüßen

Seiko Ito

Der japanische Musiker, Schauspieler und Schriftsteller Seiko Ito ist Jahrgang 1961, in dem auf japanische Literatur spezialisierten Cass-Verlag liegt nun erstmals ein Buch von ihm auf Deutsch vor. Dessen Ich-Erzähler sitzt im Jahr 2036 nach offenbar erheblichen politischen Veränderungen als isolierter Häftling Nr. 86 im Gefängnis auf einer Insel der „Asiatischen Union“. Dort verfasst der einstmals gefeierte Autor Beiträge für die Gefängniszeitschrift, in denen er mit ausgiebigen literaturhistorischen Exkursen erklärt, warum er das von der Regierung kürzlich erlassene „Romanverbot“ unbedingt gutheißt. Die gleichnishafte Anspielung auf die maoistischen Umerziehungsprogramme und eine diese womöglich noch in den Schatten stellende Kulturrevolution in naher Zukunft ist von der ersten Zeile handgreiflich. Auch den Häftling Nr. 86 schützt seine Lobhudelei schließlich nicht davor, dass Teile seines fortgesetzten Essays der Zensur zum Opfer fallen, weswegen seine Leser mit einer Vielzahl geschwärzter Stellen Vorlieb nehmen müssen und den vollständigen Originaltext allenfalls erraten können. Indes offenbart sich der verklausulierte Exkurs über das „Romanverbot“ unter der Hand selbst als eine Art „Roman“, der uns zwischen den Zeilen über ein katastrophales Weltgeschehen informiert.

Eine ergreifende, in vielerlei Hinsicht gespenstische Erzählung, deren vielleicht abgründigste Ebene der unverkennbare Bezug zur aktuellen Realität ist…