Der Debütroman des aus Hawaii stammenden Autors Kawai Strong Washburn wurde von der Kritik nach seinem Erscheinen als literarische „Entdeckung“ und Einführung in den mythischen Kosmos Hawaiis gefeiert. Der Titel Haie in Zeiten von Erlösern bezieht sich auf die anfangs erzählte Geschichte eines siebenjährigen Jungen, der von einem Boot ins Wasser fällt und von den ihn umkreisenden Haien gerettet statt gefressen wird. Von diesem auf das Jahr 1995 datierten Vorfall spannt das Buch den Bogen bis ins Jahr 2009, wobei der Autor versucht, den amerikanischen Alltag jener Jahre mit den mythischen Legenden seiner Heimat zu konterkarieren. Ob er den letzteren mit seinem dann doch sehr gegenwartsbezogenen Erzählstil tatsächlich gerecht wird, … > Weiterlesen
Kategorie: Belletristik
Sie. Szenen des Unbehagens
Der Roman Sie. Szenen des Unbehagens, verfasst von der britischen Journalistin und Verlegerin Kay Dick (1915-2001) erschien im englischen Original bereits 1977 und geriet danach bald in Vergessenheit. Nicht zufällig wurde er ausgerechnet jetzt wiederentdeckt und liegt – nach einer britischen Neuausgabe – nun auch in deutscher Übersetzung vor. Die Übersetzer und der Verlag Hoffmann & Campe haben bei ihrer Ausgabe in Kauf genommen, dass die wörtliche deutsche Übersetzung des Titels den Leser womöglich auf eine falsche Fährte setzt, indem sie offenlässt, ob das Pronomen „sie“ im Singular oder Plural gemeint ist. Letzteres ist der Fall und bezieht sich auf einen im Dunkeln agierenden Mob, der sich die Bedrohung, … > Weiterlesen
Gute Nacht Tokio
Der Roman Gute Nacht Tokio des japanischen Designers und Romanciers Atsuhiro Yoshida erschien in dem auf japanische Literatur spezialisierten, in Bad Berka ansässigen Cass-Verlag und entwickelte sich in den letzten Monaten zum Überraschungsbestseller. In seinem Episodenroman verknüpft der Autor verschiedenste Figuren, die sich im nächtlichen Tokio herumtreiben, und die Geschichten, die ihnen widerfahren, während sie sich begegnen oder verpassen: Mit von der Partie sind eine Telefonseelsorgerein, ein Privatdetektiv, eine Regisseurin, ein Barkeeper, eine Schauspielerin – allesamt schräge Vögel, die an der Grenze von Wachen und Traum kleine und große Fragen ans Leben stellen.… > Weiterlesen
Antwort auf den Brief von Helga
Der isländische Schriftsteller Bergsveinn Birgisson hat schon mit seinem Roman Die Landschaft hat immer recht auch in Deutschland ein dankbares Lesepublikum gefunden. Jetzt legt der Salzburger Residenz Verlag seinen neuen Roman Antwort auf den Brief von Helga nach: Ein isländischer Schafbauer entschließt sich im hohen Alter, endlich den Brief einer Frau zu beantworten, mit der er vor Jahren ein Verhältnis hatte und die ihn zu einem gemeinsamen Neuanfang in Reykjavik ermuntern wollte. Während er damals vor einem solchen Schritt zurückschreckte, gesteht er sich und seiner Geliebten aus dem Abstand der Zeit, dass sie die einzige Frau war, die er jemals geliebt hat. Birgissons Buch ist nicht nur ein Roman über … > Weiterlesen
Der andere Ort
Der kammerstückartige neue Roman der unterdessen in Paris lebenden, kanadisch-englischen Autorin Rahel Cusk lohnt sich allein schon für den Genuss ihres kristallklaren Sprachstils, fasziniert indes gleichermaßen dank der subtilen psychologischen Konstellation der Protagonisten: Eine Frau schreibt an einen von ihr verehrten berühmten Maler und lädt diesen zu einem Sommeraufenthalt im Nebengelass ihres eigenen Hauses an einer entlegenen Küste ein, wo sie gemeinsam mit Mann und Tochter wohnt. Die Einladung bleibt eine Weile im Vagen, doch als eine weltweite Pandemie zu einbrechenden Preisen am Kunstmarkt führt, reist der verehrte Maler tatsächlich an. Allerdings kommt er nicht allein, sondern in Begleitung einer jungen Geliebten, und in der Folgezeit wird die familiäre Ruhe … > Weiterlesen
Die Nächte der Pest
Der voluminöse neue Roman des großen türkischen Romanciers und Literatur-Nobelpreisträgers Orhan Pamuk spielt auf der fiktiven, von christlichen Griechen und muslimischen Türken bewohnten Mittelmeerinsel Minger und ist in den Jahren um 1900 angesiedelt. Eine einbrechende Pestepidemie erweist sich als Katalysator heftiger politischer Turbulenzen – beginnend mit der Ermordung des vom Sultan entsandten Seuchenbeauftragten und mündend in einer Serie von Attentaten, Putschen bis hin zur Loslösung der Insel vom Osmanischen Reich. Mit seinem bereits 2016, lange vor der Corona-Epidemie begonnenen Roman versucht Pamuk eine epische Parabel, die mit grotesken Übertreibungen auf die Bloßstellung korrumpierter bürokratischer Eliten und eines vollkommen bodenlosen Nationalismus gleichermaßen zielt. Dass die an klassischen Epidemie-Berichten wie dem Daniel … > Weiterlesen
Zum Paradies
Mit ihren viel beachteten Romanen Das Volk der Bäume und Ein wenig Leben hat die aus Hawaii stammende US-amerikanische Schriftstellerin Hanya Yanagihara zwei internationale Bestseller vorgelegt, die zu den meist besprochenen und meist verkauften der letzten Jahre gehören. Im Januar 2022 erschien nun ihr dritter Roman – zeitgleich mit dem englischen Original auch in deutscher Übersetzung – ein 900 Seiten starkes Mammutwerk unter dem Titel Zum Paradies, dessen drei Teile 1893, 1993 und 2093 angesiedelt sind und eine von Anbeginn surreale, mehr und mehr dystopische Welt aus der Zentralperspektive der Inselstadt New York zeichnen.
Schon in ihren ersten Romanen hat sich Yanagihara nicht davor gescheut, ihre Leser mit grotesken … > Weiterlesen
Gegenwindschiff
Der Hamburger Osburg-Verlag überrascht in regelmäßigen Abständen mit literarischen Entdeckungen – diesmal mit der Übersetzung eines bereits 1987 erschienenen biographischen Romans des großen estnischen Schriftstellers Jaan Kross (1920–2007), der das Leben des Optikers, Astronomen und Erfinders Bernhard Schmidt (1879–1935) zum Thema hat. Der Autor räumt im Vorwort ein, dass er sich am Ende ausgiebiger Recherchen über Schmidts Leben und intensiven Gesprächen mit noch lebenden Bekannten dennoch für einen literarischen Umgang und die Freiheiten der Romanform entschieden hat. Im Roman selbst wird die ambivalente Annäherung des Autors an seinen Helden nachvollzogen, indem die Rekonstruktion von Schmidts Lebensgeschichte durch Berichte von Kross‘ Recherchen, Begegnungen und Unterhaltungen unterbrochen und angereichert wird.
Bernhard … > Weiterlesen
Ferne Gestade
Mit der Kür des aus Sansibar stammenden, seit 1968 in Großbritannien beheimateten Abdulrazak Gurnah hat das aktuelle Nobelpreiskomitee Instinkt und eine glückliche Hand bewiesen – zumal der Preisträger bis dahin nur Eingeweihten bekannt und keiner seiner in deutscher Übersetzung vorliegenden Titel im Buchhandel noch lieferbar war. Die beiden seitdem im Penguin Verlag erschienenen Romane Das verlorene Paradies und Ferne Gestade weisen ihn als mitreißenden Erzähler aus, der den mythischen Kosmos um den Indischen Ozean kursierender Erzählungen in eine moderne Prosasprache übersetzt und dabei mühelos den Bogen von Tausendundeiner Nacht über ostafrikanische Lebenswelten zu Impressionen aus der späten DDR und dem Schicksal gegenwärtiger Migranten schlägt.
Der Autor nimmt diese entrückte Perspektive … > Weiterlesen
Seeland Schneeland
Im Werk des Lyrikers, Romanciers, Reiseschriftstellers und Übersetzers Mirko Bonné spielen maritime Themen seit jeher eine wichtige Rolle. Aufgewachsen am Tegernsee und in Hamburg führten ihn Reisen und Stipendien u.a. nach Australien, ins Baltikum, nach Skandinavien, Russland, China, Iran, Latein- und Südamerika, in die USA und die Antarktis. Als Übersetzer ist er zuletzt durch eine vielbesprochene Neuübersetzung von Joseph Conrads Klassiker The Nigger of the ‚Narcissus’ (mare-Verlag) in Erscheinung getreten. Bonnés jüngster Roman Seeland Schneeland, der im letzten Jahr im Schöffling-Verlag erschien, spielt exakt 100 Jahre in der Vergangenheit, nämlich 1921, und ist geographisch in Wales sowie auf einem Auswandererschiff in Richtung USA angesiedelt. Die Handlung knüpft an Bonnés … > Weiterlesen