Kategorien
Belletristik

die schönsten versprechen

Doris Runge

Die Lyrik von Doris Runge zeichnet sich seit jeher durch eine besondere Beziehung zur Ostsee aus, und auch in ihrem neuen Gedichtband kommt die Autorin in wiederholten poetischen Annäherungen darauf zurück. Das hat sicher damit zu tun, dass Runge schon seit ihrer Kindheit in Schleswig-Holstein zu Hause ist – auch beim zeitweisen Umzug nach Ibiza in den 1970er Jahren verlor sie das Meer nicht aus dem Blick. Man könnte sagen, dass sich das anrollende Meer und die Strände mit ihren vielfältigen Erscheinungsformen und Organismen unter den Augen der Autorin als Metaphern eines existenziellen Geschehens entpuppen. In den Momentaufnahmen ihrer Gedichte fängt sie etwas Anderes, Größeres ein, das unser geordnetes Weltwissen übersteigt, und schlägt Brücken zwischen Kindheit und Alter, Geborgenheit und Gefahr, Rauheit und Liebe, Fundstücke und Traumwelten, Eigenes und Fremdes.

Trotz der extrem verknappten Sprache – bzw. gerade dank dieser – schafft die Dichterin in ihren Sprachbildern Konstellationen des Weitblicks und der Besinnung, die sich bei der Lektüre wie von selbst mit Assoziationen des Lesers füllen. Neben der Küstenlandschaft und den darin aufscheinenden Bildern tauchen auch mythische „weg/ gefährtinnen“ wie Melusine auf, die dank ihres wässrigen und weiblichen Element allemal für poetische Seitenblicke taugt – im besonderen, wenn die Autorin mit deren Augen auf die Vertreter unserer Spezies schaut: „gingen /auf zwei beinen/ an land/ sie kamen / ins reich/ der wölfe/ in wälder/ aus stein…“ – heißt es etwa in dem Gedicht die schönsten versprechen, das dem Band den Titel gibt.