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Belletristik

Die Abtrünnigen

Abdulrazak Gurnah

Der von der Insel Sansibar stammende Abdulrazak Gurnah war in Deutschland den Lesern nahezu unbekannt, als er 2021 den Literatur-Nobelpreis erhielt. Seitdem bringt der Penguin-Verlag Neuauflagen seiner großen Romane, zuletzt Die Abtrünnigen, der im Original 2006 erschien. Wie bei den zuvor veröffentlichten Titeln Ferne Gestade und Das verlorene Paradies handelt es sich auch hier um eine poetische Welterkundung aus ostafrikanischer Perspektive, die zugleich das globale Geschehen des 20. Jahrhunderts spiegelt. Schauplatz des Romans ist Sansibar zur Zeit der Unabhängigkeitsbewegung in den 1950er Jahren, und wie in allen Werken Gurnahs begegnen sich darin halb legendäre familiäre Vorgeschichten, Referenzen auf die orientalische wie auch europäische Literaturtradition und die Verwerfungen infolge der politischen Umwälzungen in Afrika in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Die komplexe Handlung verknüpft Geschehnisse aus drei Generationen und zwei Jahrhunderten, darunter unmögliche Liebesgeschichten über Kulturen und koloniale Herrschaftsverhältnisse hinweg. Während sich einerseits Geheimnisse entdecken und Spuren aufzeigen, die weit zurück in die Geschichte der Familie der drei im Zentrum der Handlung stehenden Geschwister führen, werden diese von den Ereignissen auseinandergerissen und teilweise aus ihrer Heimat vertrieben, womit sich die Erzählung bis nach England ausweitet, wo auch der Autor selbst seit 1968 im Exil lebt.