Der Frankfurter Westend Verlag machte in den letzten beiden Jahren von sich reden, indem er sich nicht scheute, Fragen und Themen aufzuwerfen, die in der öffentlichen Debatte ansonsten allzu kurz kamen – mit Erfolg, wie der kürzlich verkündete Ausbau des Verlages inkl. neuer Buchreihen und Themenfelder zeigt. Mit Paul Schreyers Chronik einer angekündigten Krise legte Westend schon frühzeitig Mitte 2020 eine der bis heute fundiertesten Analysen und Recherchen zu globalen Verflechtungen der Corona-Politik und seit Jahrzehnten laufenden „Planspielen“ dazu vor. Ulrike Guérot, ihrerseits langjährige Mitarbeiterin in Thinktanks zur Zukunft Europas und aktuell Professorin für Europa-Politik an der Universität Bonn, hat im selben Verlag nun ihren lesenswerten Essay Wer schweigt, stimmt zu veröffentlicht, indem sie das Corona-Geschehen zum Anlass einer Generalkritik am „Zustand unserer Zeit“ nimmt. Die klaren Worte, mit denen Guérot in ihrem konzisen Text Stellung bezieht, erscheinen umso gewichtiger, als kritische intellektuelle Stimmen in diesem Zusammenhang nach wie vor rar sind, von den öffentlichen Medien kaum rezipiert und in den sozialen Netzwerken heftigen Anfeindungen ausgesetzt sind. Man kann diese gewichtige Wortmeldung als Baustein einer beginnenden geisteswissenschaftlichen Aufarbeitung der jüngsten Vergangenheit sehen, die die vom italienischen Philosophen Giorgio Agamben schon zu Beginn der Pandemie aufgeworfene große Frage umkreist: „An welchem Punkt stehen wir?“
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