Joseph Conrad: „Sieg“ – Franz Kafka: „In der Strafkolonie“. Zwei Inselgeschichten aus dem Jahr 1914
1. Juni 2024 | 19:00 Uhr
Joseph Conrad und Franz Kafka, deren 100. Todestage wir in diesem Jahr begehen, sind zwei Autoren von Weltrang, die die moderne Literatur am Beginn des 20. Jahrhunderts maßgeblich inspiriert und geprägt haben. Auf den ersten Blick scheinen ihre Erzählstrategien sowohl inhaltlich wie auch stilistisch eher unterschiedlich: auf der einen Seite der weitgereiste Seemann, der seine Erfahrungen mit Rassismus, Kolonialismus und dem menschlichen Triebwesen in packende Abenteuerromane zu übersetzen weiß, auf der anderen der Prager Jurist und Versicherungsangestellte aus jüdischem Elternhaus, der in seinen Erzählungen und Romanfragmenten existenzielle Sinnbilder von ins Mythische reichender Dimension schafft.
Doch bei genauerer Hinsicht weisen nicht nur die Biographien der Autoren – eines aus der Nähe des damals russischen Kiew stammenden, auf Englisch schreibenden Polen und eines deutschsprachigen Juden aus Prag – eine Reihe subtiler Berührungspunkte auf. Dasselbe gilt für ihre fast zeitgleich, kurz vor bzw. nach Beginn des 1. Weltkriegs entstandenen Inselerzählungen Victory (abgeschlossen am 29. Mai 1914) und In der Strafkolonie (geschrieben im Oktober 1914, publiziert 1919). Beide Texte haben nicht nur das Inselszenario gemeinsam, sondern stellen auf radikale und verstörende Art und Weise die Frage nach der menschlichen Natur und dem Schicksal humanistischer Ideale in Zeiten von entfesseltem Kapitalismus und staatlicher Bürokratie. Als Kafka seinen Text 1916 in München vorlas (die einzige Lesung außerhalb von Prag in seinem ganzen Leben) sollen drei Personen in Ohnmacht gefallen und zahlreichen weitere „geflohen“ sein.
Im Übrigen verbindet die Werke Kafkas und Conrads auch der Umstand, dass sie gleichermaßen erst geraume Zeit nach dem Tod der Autoren ihre enorme literaturgeschichtliche Wirkung entfalteten. In unserer Hommage an die beiden literarischen Großmeister liest der Schauspieler Roland Pfaus Passagen aus beiden genannten Texten. Der Eintritt ist frei, eine Spende beim Austritt erbeten. Wir bitten um Platzreservierung per Email an kontakt@dalmannsbazar.de oder telefonisch unter 038392 677476.