Der Debütroman der haitianischen Autorin Marie Vieux-Chauvet (1916-1973), veröffentlicht 1954 und jetzt erstmals in deutscher Übersetzung vorliegend, spielt in der mulattischen haitianischen Oberschicht Anfang der 1940er Jahre. In einer eindringlichen und präzisen Sprache erzählt die Autorin die Geschichte der jungen Lotus. Diese gehört zwar zu dieser mulattischen Elite, als Tochter einer Prostituierten haftet ihr jedoch zugleich eine gewisse Stigmatisierung an, die sie wiederum prädestiniert, ihre Umgebung zu beobachten und auf den Prüfstand zu stellen. Ihr Leben ist von einer Art weiblichem Dandytum, verbunden mit viel Langeweile, flüchtigen Bekanntschaften und einer tief verinnerlichten Männerverachtung geprägt. Die Beziehung zu dem Revolutionär Georges Caprou öffnet ihren Blick für das Elend der haitianischen Unterschichten, und sie engagiert sich fortan für die Verbesserung der Lebensbedingungen der in ihrem Viertel lebenden Armen. Zusammen mit ihrem Freund Caprou trägt sie dazu bei, dass es schließlich zur Revolution kommt. Doch müssen beide Helden erfahren, dass diese nicht die erhoffte Wendung zum Besseren bringt, sondern sich die alten Rivalitäten zwischen Mulatten und Schwarzen vielmehr verschärfen und beide zur Flucht aus der Hauptstadt und in die Berge zwingen.
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