Der Roman Sie. Szenen des Unbehagens, verfasst von der britischen Journalistin und Verlegerin Kay Dick (1915-2001) erschien im englischen Original bereits 1977 und geriet danach bald in Vergessenheit. Nicht zufällig wurde er ausgerechnet jetzt wiederentdeckt und liegt – nach einer britischen Neuausgabe – nun auch in deutscher Übersetzung vor. Die Übersetzer und der Verlag Hoffmann & Campe haben bei ihrer Ausgabe in Kauf genommen, dass die wörtliche deutsche Übersetzung des Titels den Leser womöglich auf eine falsche Fährte setzt, indem sie offenlässt, ob das Pronomen „sie“ im Singular oder Plural gemeint ist. Letzteres ist der Fall und bezieht sich auf einen im Dunkeln agierenden Mob, der sich die Bedrohung, Verfolgung und gezielte Vernichtung von Künstlern auf die Fahnen geschrieben hat. Die Frage, wie man sich im Angesicht einer diffusen Bedrohung durch aufgehetzte Banden verhält, die der Roman auf beklemmende Weise stellt, ist heute womöglich aktueller als in den 1970er Jahren und die dystopische Phantasie der Autorin als einfühlsame Wahrnehmung einer gesellschaftlichen Tendenz zu lesen.
Kategorien