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Klassiker in Neuausgaben

Nachts auf dem Meer

Iwan Bunin

Der Züricher Dörlemann Verlag hat es sich auf die Fahnen geschrieben, vergessene literarische Klassiker wiederzuentdecken, und die Resonanz auf die dort erschienene, inzwischen zwölf Bände umfassende Iwan-Bunin-Werkausgabe trug dazu bei, den Verlag im deutschsprachigen Raum bekanntzumachen. Als Sohn eines Gutsbesitzers in Woronesch im südlichen Zentralrussland geboren erhielt Iwan Alexejewitsch Bunin (1870–1953)1933 als erster russischer Dichter den Nobelpreis für Literatur. Unter dem Titel Nachts auf dem Meer sind nun auch seine Erzählungen der Jahre 1920 bis 1924 im Rahmen der Werkausgabe erschienen – die ersten literarischen Texte, die er nach seiner Emigration aus Sowjetrussland nach Paris verfasst hat. Die Erfahrung des Exils ist am ausgeprägten Fokus auf die Themen von Vergänglichkeit und Erinnerung zu spüren, um die sich die Texte immer wieder drehen.

Bunins an den Klassikern des russischen Realismus geschulte präzise Prosasprache besticht durch pointierte Beschreibungen von Landschaften, Szenen und psychischen Konstitutionen. 15 der 28 Erzählungen des vorliegenden Bandes wurden für die Neuausgabe erstmals ins Deutsche übersetzt. Die titelgebende Erzählung verbindet nicht nur maritimes Flair mit philosophischen Reflexionen, sie fängt nebenher auch die Atmosphäre der damaligen Vielvölkerstädte Odessa und Jewpatorija auf der Krim ein, was ihr eine Aktualität verleiht, die Bunin selbst schwerlich vorausgesehen hat. Auf der Fahrt über das Schwarze Meer begegnen sich zufällig ein Mann, den seine inzwischen verstorbene Frau vor Jahren betrogen und verlassen hat, und jener Liebhaber, mit dem sie damals fortging und der unterdessen seinerseits von einer tödlichen Krankheit gezeichnet ist.