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Belletristik

Die Frau in den Bäumen

Elisabeth Plessen

Elisabeth Gräfin von Plessen ist eine Ausnahmeerscheinung in der deutschen Literatur – man könnte sagen, dass ihre adlige Herkunft (von der sie sich schon in den 1976 erschienenen Mitteilungen an den Adel verabschiedet hat) gleichwohl in einer gleichsam aristokratischen Behandlung der deutschen Sprache und einem kultivierten Denken über den Tellerrand hinweg fortlebt. Für ihrem neuen, in den 1970er Jahren angesiedelten Roman hat sich die promovierte Literaturwissenschaftlerin ein Sujet mit autobiographischen Zügen gewählt. Nicht viel anders als ihre literarische Heldin, die mit einem zwanzig Jahre älteren Rundfunkmitarbeiter verheiratete Ich-Erzählerin Anna, hat auch Plessen über dreißig Jahre mit einem deutlich älteren Mann, dem Regisseur Peter Zadek, zusammengelebt. Im Roman reist das Paar zunächst recht unaufgeregt nach Italien, wo Annas Gatte Leo ein Häuschen mit Meerblick gemietet hat. Bald jedoch gerät die Normalität ihres eingeübten Zusammenseins durch eine Kette von Ereignissen durcheinander. Der Tod von Annas verhasstem Vaters, ein Blitzschlag mit der Folge, zu einem Freund in der Nähe von Rom umzuziehen, die Begegnung mit einem jungen italienischer Filmemacher, der an einem Film über Che Guevara dreht, und schließlich ein mit diesem unternommener Inselausflug sorgen dafür, dass die Heldin sich mehr und mehr existenzielle Fragen stellt. Plessens virtuos schwebende, zuweilen rätselhaft verkürzte Sprache und nicht zuletzt der untergründig mitschwingende Humor sorgen dafür, dass auch dem Leser dieser Findungsprozess mit offenem Ausgang niemals langweilig wird.