Bereits im Jahr 2004 gewann Uwe Tellkamp mit einer Erzählung unter dem Titel Der Schlaf in den Uhren den renommierten Ingeborg-Bachmann-Preis, ehe er für den 2008 erschienenen Roman Der Turm noch im selben Jahr den Deutschen Buchpreis erhielt. Der nunmehr vorliegende voluminöse Roman versteht sich einerseits als Fortsetzung des Erfolgsbuches von 2008, ist aber zugleich als erster Band eines umfangreicheren Buchprojektes unter dem Titel Archipelagus deklariert. Wie in seinem Bestseller Der Turm legt Tellkamp auch diesmal eine Art chiffrierte und fantastisch aufgeblähte Chronik des Zeitgeschehens vor. Auch das literarische Personal ist Lesern des Vorgängerromans bereits über weite Strecken bekannt, nicht zuletzt der Hauptheld Fabian Hoffmann als DDR-Dissident und Cousin der Hauptfigur des „Turm“. Doch zeigen sich auch inhaltliche und stilistische Unterschiede: Mehr noch als das frühere Buch zeigt sich Der Schlaf in den Uhren als eine Tiefenbohrung in das kollektive Unbewusste der Zeit, wobei der Autor den erzählerischen Bogen von den Endachtzigerjahren bis in die Gegenwart spannt. Bediente er mit dem „Turm“ eine deutschlandweite Erwartungshaltung (von Ostalgie bis Den-Osten-Verstehen-wollen“), so schreibt er in seinem neuen Roman von dem, worüber er aus innerster Notwendigkeit schreiben muss, was vielleicht auf Kosten der Unterhaltsamkeit geht, sich jedoch in evidenter literarischer Qualität niederschlägt. Ergebnis ist eine subtile Chronik, wo nicht poetische Mentalitätsgeschichte der beiden Deutschlands, die sich im Abstand von drei bis vier Jahrzehnten dennoch gleichsam spiegelbildlich gegenüberstehen.
Das Thema der Inseln klingt sowohl in diversen Reminiszenzen an die „verwunschenen“ Ostseeinseln Rügen, Usedom und Hiddensee an, als auch in der unterirdischen Inselwelt des phantastischen Handlungsortes „Treva“, der Ähnlichkeiten mit der gegenwärtigen Bundesrepublik, aber auch mit einer fortbestehenden DDR und ihren Stasi-Netzwerken aufweist. Aus einer erweiterten perspektive ließe sich sagen, dass in diesem „Treva“ die verschiedenen Entwicklungstendenzen der Moderne von Bürokratie über eine sich eigendynamisch entwickelnde Technik bis zum Überwachungsstaat visionär zusammenlaufen.