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Belletristik

Das Bett mit dem goldenen Bein

Zigmunds Skujins

Die von Zigmunds Skujins in überbordenden Sprachbildern erzählte Jahrhundertgeschichte einer Familie lettischer Bauern, Schiffbauer und Seefahrer entstand zu Beginn der 1980er Jahre im Vorfeld der „Perestroika“ in der damaligen Sowjetunion und erschien in Lettland bereits 1984. Das Buch wurde nicht nur von der Kritik gefeiert und gern mit Gabriel García Marquez‘ Kultroman Hundert Jahre Einsamkeit verglichen. In der Sowjetunion entwickelte sich das Buch sogleich zum Bestseller, allein die russische Ausgabe verkaufte sich in den 1980er Jahren 3,5 Millionen Mal. Mit fast 40 Jahren Verspätung ist der Roman nun auch in Deutschland angekommen und liegt in einer prachtvollen Ausgabe in Leinen und mit Kassette aus dem mare-Verlag vor.

Die Handlung ist im Spannungsfeld zwischen deutsch-baltischen Traditionen, russischer Administration und nationalistischen Bestrebungen der Letten angesiedelt und macht zugleich den Alltag in den östlichen Küstengebieten der Ostsee sowie seine Wandlungen am Ende des 19. und im Verlauf des 20. Jahrhunderts lebendig. Das Etikett des „magischen Realismus“ ist nicht ganz von der Hand zu weisen, auch wenn dieser bei Skujins weniger ins Phantastische gesteigert und mehr im Alltagsleben verhaftet ist. Nicht zuletzt überzeugt der Roman durch den Fokus auf existenzielle Fragen und die Suche nach einem überhistorischen Sinnzusammenhang, wobei auch die Tradition der großen russischen Romanciers zu spüren ist – nicht zuletzt die von Gogol über Dostojewski bis Bulgakow bezeugte Neigung zu grandios-grotesken Sinnbildern des menschlichen Daseins.