Wenn die bildschöne Tochter der Prinzessin Caroline von Monaco als Autorin in Erscheinung tritt, mag der mit ihrer Biographie weniger vertraute Literaturfreund ein Stück autobiographischer Unterhaltung aus den illustren Restbeständen des europäischen Hochadels befürchten. Auch wenn er erfährt, dass dieselbe Charlotte Casiraghi in Monaco ein philosophisches Institut gegründet hat, wird er dahinter zunächst eher eine fürstliche Marotte als eine ernstzunehmende Forschungseinrichtung vermuten. Und wenn die fürstliche Tochter schließlich zusammen mit ihrem philosophischen Lehrer Robert Maggiori unter dem Titel Archipel der Leidenschaften eine „Philosophie der Gefühle“ publiziert, liegt der Verdacht eines geschickt im geisteswissenschaftlichen Gelände fischenden Bestsellers erst recht nahe. Umso überraschter ist der derart voreingenommene Leser, dass die dialogischen Reflexionen von Casiraghi und Maggiori über die „Inselwelt“ der menschlichen Gefühle einen intellektuellen Lesegenuss bereiten, bei dem man das im Klappentext hervorgehobene Geblüt der Ko-Autorin schnell vergisst. Bei ihren Betrachtungen halten sich die Verfasser an die paradoxe Beobachtung, dass eine rationale Reflexion und Beschreibung von Gefühlen sehr wohl möglich, im Fall des leidenschaftlichen Durchbruchs ein Gefühl aber allemal mächtiger als das rationale Denken ist. Auch wenn nicht jedes der 40 Kapitel über die diversen menschlichen Emotionen gleichermaßen innovativ und intellektuell herausfordernd ist, bleibt die Lektüre bis zum Schluss anregend, weswegen man den Archipel der Leidenschaften mit einigem Recht als weitere Blüte in dem spezifisch französischen Diskurs der „Gefühlsvermessung“ verbuchen kann, der schon seit den berühmten Sonnabendgesellschaften der Mademoiselle de Scudery in der Mitte des 17. Jahrhunderts immer wieder für literarische Überraschungen gut ist.
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