Der umtriebige Guggolz Verlag hat sich mal wieder um die Neuentdeckung eines literarischen Klassikers aus Skandinavien verdient gemacht. Der Debütroman des dänischen Autors Tom Kristensen, der nunmehr in einer gut lesbaren Neuübersetzung von Ulrich Sonnenberg unter dem Titel Absturz verfügbar ist, entstand in den 1920er Jahren und erschien 1930 – wie man weiß, eine Epoche, in der Mammutromane von an die tausend Seiten hoch im Kurs standen. Und in der Tat verdient es Kristensens Buch, im Kontext anderer großer Romane jener Tage wie Döblins Berlin-Alexanderplatz, Joyce‘ Ulysses oder Musils Mann ohne Eigenschaften genannt und betrachtet zu werden. Wie bei diesen Zeitgenossen ist auch Kristensens Schreibstil durch eine ausgesprochen autobiographische Komponente geprägt, wobei er nicht zuletzt das eigene Scheitern, den persönlichen „Absturz“ ins Blickfeld seiner literarischen Recherche rückt. Ole Jastrau, der Held seines Buches trägt den in 20er Jahren aufkommenden Jazz im Namen. Er ist als Literaturredakteur einer Kopenhagener Zeitung tätig und versucht sich nebenbei eher erfolglos als Autor von Gedichtbänden. Seine Hauptbeschäftigung besteht gewissermaßen darin, dass er der Auflösung seiner Familie und dem Verfall seiner bürgerlichen Existenz zusieht und allmählich dem Alkohol verfällt – wobei anzumerken ist, dass letzterer im Buch nicht schlecht wegkommt, sondern die Rolle eines rettenden Engels in Zeiten spätbürgerlicher Sinnlosigkeit spielt. Kristensens Konsequenz bei der literarischen Abrechnung mit dem eigenen Scheitern reicht übrigens über den vorliegenden Roman hinaus: er hat nach seinem Debüt tatsächlich keinen weiteren Roman mehr geschrieben.
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