Der amerikanische Politologe Charles King hat 2011 ein Porträt der Stadt Odessa mit dem Untertitel Genius and Death in a City of Dreams geschrieben, das die Berliner Edition Tiamat nunmehr in deutscher Übersetzung veröffentlicht hat. Im Nachwort gibt er an, den Anstoß dafür habe ein Dinner mit Richard von Weizsäcker in einem dortigen Gartenhaus gegeben. In der Folge hat King Odessa wiederholt besucht und dort umfassende Archiv- und Bibliotheksrecherchen betrieben. Sein Buch liefert dem dankbaren Leser gleichermaßen eine Geschichte der Hafenstadt am Schwarzen Meer wie eine Bestandsaufnahme der daran geknüpften Mythen und Sehnsüchte. Dabei versucht King vor allem der Eigenart und multikulturellen Identität der Stadt auf die Spur zu kommen, die sie sich ganz unabhängig von der territorialen Zugehörigkeit – zunächst zu Russland, dann zur Sowjetunion, zwischenzeitlich zu Rumänien und jetzt zur Ukraine – seit der Gründung im Jahr 1794 bis heute bewahrt hat. Mit Kings eigenen Worten: den in ihr wohnenden sowohl bösen als auch „besseren Dämonen“, wobei er zu den letzteren vor allem jene „schelmischen Betrüger“ zählt, „die urbane Gesellschaften inspirieren und ihnen Literatur und Kunst schenken“.
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