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An welchem Punkt stehen wir? Die Epidemie als Politik

Giorgio Agamben

Der italienische Philosoph Giorgio Agamben ist einer der einflussreichsten lebenden Geisteswissenschaftler, als Theoretiker des Staatsrechts, des Ausnahmezustands und der Souveränität wahrscheinlich der bedeutendste seiner Zunft überhaupt. Im Wiener Verlag Turia + Kant ist unter dem Titel An welchem Punkt stehen wir? Die Epidemie als Politik eine Sammlung von Essays erschienen, die er in der ersten Jahreshälfte 2020 unter dem Eindruck der Corona-Pandemie verfasst hat und die eindrücklich und aktuell genug sind, um dafür einen Blick über die literarischen Inselwelten hinaus zu werfen.

Das Thema dieser Tage berührt, wie sich beim Lesen bald zeigt, Agambens Forschungsgebiet aufs Innigste, was schon mit den Begriffen einer Epi- bzw. „Pandemie“ beginnt, die von griechisch „demos“, dem Volk als politischer Einheit, abgeleitet sind. Agambens Analysen, die zum Teil in unmittelbarer Reaktion auf die seit Frühjahr 2020 weltweit ergriffenen Maßnahmen verfasst worden sind, lassen wenig Raum für Zweifel, dass die im Namen der Pandemie betriebene Politik als umfassender Umbau der Gesellschaft zum technologiebasierten Hygiene- und Überwachungsstaat zu verstehen ist. Wie der renommierte Romanist und Kulturtheoretiker Hans-Ulrich Gumbrecht am Schluss seiner Rezension in der NZZ möchten wir Agambens Buch auch und gerade all jenen ans Herz legen, die eine solche Argumentation nach wie vor für übertrieben halten bzw. dezidierte Vorbehalte dagegen haben.