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Belletristik

Der Wal und das Ende der Welt

John Ironmonger

Manchmal bekommen Bücher nachträglich eine Aktualität, die bei der ersten Lektüre noch kaum ein Leser errät. So geschehen im Fall eines Romans des britischen Schriftstellers John Ironmonger, der 2015 im englischen Original und im Frühjahr 2019 unter dem Titel Der Wal und das Ende der Welt in deutscher Übersetzung erschienen ist. Darin finden sich der Programmierer einer Londoner Investmentbank und ein gestrandeter Finnwal etwa zeitgleich in einem kleinen Küstendorf wieder und von nun an kreuzen sich zwei Handlungsstränge bzw. „Programme“: nämlich der Versuch einer Rettung des Wals und der Untergang der Menschheit. Letzterer kündigt sich im Roman vermittels einer Simulation der weltweiten ökonomischen und politischen Wechselwirkungen an, für die der Held im Auftrag seines Arbeitgebers ein Computerprogramm entwickelt hat. Beim Lesen vor einem Jahr haben wir die sich daraus entwickelnde, mit ausführlichen philosophischen Dialogen angereicherte Geschichte als etwas zu modisch-dystopisch und ihre Fischerdorf-Aura als etwas zu unterhaltsam-idyllisch empfunden (und deshalb auf eine ausdrückliche Empfehlung verzichtet). Dies erscheint aus heutiger Sicht korrekturbedürftig, schon deswegen, weil der von dem Computerprogramm mit dem selbstredenden Namen „Cassie“ (=Cassandra) vorhergesagte Weltuntergang auf dem Weg einer Grippeepidemie daherkommt. Wobei die Katastrophe nicht in erster Linie dem grassierenden Virus geschuldet ist – im Originalton des Romanhelden: „Nicht die Krankheit wird uns umbringen. Sondern die Furcht.“ Denn während sich die Menschen in früheren Epochen bemüht haben (so argumentiert der Held sinngemäß weiter), auch in Zeiten von Epidemien nach besten Kräften ihr normales Leben weiterzuleben, ist die Ausgangslage im technologisch und medial hochgerüsteten 21. Jahrhundert anders: „Diesmal werden wir es alle in den Nachrichten verfolgen. Wir werden zusehen, wie die ersten Opfer sterben. Wie ihre Leichen begraben werden. Wir werden in Panik geraten…. Wir werden Türen und Fenster verschließen, die Kinder im Haus behalten, nicht mehr zur Arbeit gehen…“ Wie es weiter geht, lesen Sie in der unterdessen auch als handlicher Geschenkband im Miniaturformat für ganze 12 Euro erhältlichen Ausgabe aus dem Fischer Verlag.