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#0: Zum Geleit

Als Dahlmanns Bazar im Sommer 2015 am Alten Markt in Sassnitz seine Türen öffnete, hatten wir kaum eine Ahnung, auf welches Unternehmen wir uns da eigentlich einließen. Vieles kam anders als gedacht, einige Erwartungen mussten bald aufgegeben werden, anderes erfüllte sich, ohne dass wir es vorausgesehen hätten. Zu jenen Fügungen, die man nicht planen kann, gehört, dass die eher zufällig gefundene Verbindung von Buchladen, Bar und einem Bazar mit Feinkost und Vinothek sich als ein Katalysator von Begegnungen und Kommunikationen erweisen sollte, die einerseits den Laden selbst mit einem atmosphärischen Wechselspiel erfüllen, aber auch jenseits davon ihren Fortgang nehmen. Oft genug konnten und können wir beobachten, wie Gäste, die sich eine Stunde vorher noch nicht kannten, beim Abschied Adressen und Telefonnummern austauschen, werden Gesprächsfäden anderswo weitergesponnen oder ihre Wortführer kehren Monate oder Jahre später in unseren Laden zurück. Gekaufte Bücher werden beim nächsten Besuch ihrer Käufer ausführlich besprochen, oder wir erfahren von (manchmal unglaublichen) Schicksalen, die die Bücher oder ihre Besitzer auf dem weiteren Weg erfuhren. Autoren, die vor Jahr und Tag zu einer Lesung bei uns waren, stehen mit einem Mal wieder am Tresen oder melden sich von anderswoher zurück. Reisende von allen Kontinenten hinterlassen ihre Wahrnehmungen und Empfindungen und schlagen beim Bargespräch Brücken zu anderen, uns unbekannten Buchläden und Cafés an weit entfernten Orten. In Reisebüchern und Internetforen, in Romanen und Filmen hat Dahlmanns Bazar inzwischen seine Spuren hinterlassen und in gewisser Weise auch ein Eigenleben entwickelt, das uns häufig selbst überrascht und Anlass gibt uns darüber zu wundern. Man könnte sagen, dass es neben dem realen Bazar längst auch einen virtuellen gibt, in dem die Geschichten, die hier begonnen oder sich mit anderen getroffen haben, ihre vielfältigen Fortsetzungen finden.

Die Idee, auf unserer Website neben Buchempfehlungen und Veranstaltungshinweisen auch einen Blog zu etablieren, ist davon angeregt, etwas von dem jenseitigen Stimmengewirr wieder einzufangen. Bekanntlich verdankt sich das englische Wort „Blog“ der Verschmelzung von „Web“ und „Logbook“, und zumindest letzteres gehört zu Inselreisen ohne Frage dazu. Zugleich erhoffen wir uns von einem solchen „Logbuch“, auch diejenigen Freunde und Besucher an der kommunikativen und inselhaften Atmosphäre unseres Ladens anteilnehmen zu lassen, die gerade nicht in Sassnitz und womöglich weit entfernt davon verweilen. Umgekehrt haben wir die Hoffnung, selbst davon profitieren, indem wir diese oder jene Bekanntschaft oder Kommunikation nicht abreißen lassen, sondern über Küsten und Grenzen hinweg weiterführen. Dabei stimuliert uns die Überlegung, dass sich an Küsten, in Häfen und auf Inseln seit jeher große und kleine, von nebenan und weither kommende, vertraute und fremde, heimliche und unheimliche Geschichten begegnen und überkreuzen – so wie es sich in glücklichen Momenten auch in unserem Café oder unserer Buchhandlung ereignet.

Für den Anfang schweben uns drei verschiedene Textformate vor. In der Reihe Bargespräche fragen wir interessante Gäste und Gesprächspartner nach ihren treibenden Gedanken, bemerkenswerten Inselerfahrungen, neuesten Veröffentlichungen und Meinungen zum Zeitgeschehen. Dabei wird auch dieser oder jene Buchtipp nicht fehlen – man muss ja nicht erst auf eine einsame Insel reisen, um sich interessanten Lektüren zu widmen. Unter dem Titel Postille verschicken wir kürzere literarische Texte sowie Essays und Betrachtungen, die im weitesten Sinne von Inseln und ihren Bewohnern, anderen Ufern sowie dieser und weiteren denkbaren Welten handeln. Überdies weisen wir auf Fundstücke hin, die wir an anderen Orten gemacht haben, in der Regel durch einen Link und einige erklärende Sätze, was den interessierten Leser dort erwartet. 

Dass sich bei den zu erwartenden Beiträgen Ernst und Spaß, Wahrheit und Seemannsgarn sowie Debatte und Unterhaltung miteinander vermischen, nehmen wir nicht nur in Kauf, sondern wollen es erhoffen: erscheint uns doch Offenheit und eine gewisse daraus resultierende Unschärfe als Gütesiegel von Wortmeldungen und Dialogen. Mit anderen Worten entbinden wir unsere Leser und Disputanten nicht davon, über den konkreten Wert der hier versammelten Strandgüter nach eigenem Ermessen zu befinden. Wie beim Strandspaziergang mag man einen Großteil davon liegen lassen oder der nächsten Welle anvertrauen, aber mit etwas Glück auch so manche kleine Perle darunter finden, die es lohnt, mit nach Hause genommen zu werden. Für Texte aller Art, Kommentare, Anmerkungen, Anregungen und sonstige Rückmeldungen sind wir offen. Indes bitten wir von vornherein um Verständnis dafür, dass wir die Veröffentlichung neuer Beiträge von unseren Kapazitäten abhängig machen: Weder die Veröffentlichung unverlangt eingesandter Beiträge noch eine regelmäßige Frequenz der Veröffentlichungen wollen und können wir versprechen.

Viel Freude beim Lesen und Anregungen zum eigenen Nachdenken wünschen

Volkmar Billig und das Team von Dahlmanns Bazar


Der Autor ist Kulturwissenschaftler und Publizist und betreibt Dahlmanns Bazar in Sassnitz.